Movimento Comunità – ADRIANO OLIVETTI – Die Idee der Comunità

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Movimento Comunità
ADRIANO OLIVETTI
Die Idee
der Comunità
1950
Herausgegeben vom Zentralkomitee der Comunità
IVREA
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Die grundlegende Idee der neuen Comunità ist es, ein gemeinsames moralisches
und materielles Interesse unter den Menschen zu wecken, die ihr
gesellschaftliches und wirtschaftliches Leben in einem, von Natur und
Geschichte bestimmten, geographischen Gebiet führen.
Die Comunità zielt darauf ab, die offensichtlichen Gegensätze und
Auseinandersetzungen zu unterdrücken, die in der aktuellen wirtschaftlichen
Organisation normalerweise aufkommen und sich zwischen Landwirtschaft,
Industrie und Handwerk eines gewissen Gebietes entwickeln, wo die Menschen
gezwungen sind, ein ökonomisch und sozial geteiltes Leben zu führen, das der
Grundlage an Solidarität entbehrt.
Die Comunità tendieren dazu, besagte Konflikte zu bereinigen, indem sie ein
übergeordnetes konkretes Interesse wecken, und die Menschen sich
untereinander verbrüdern.
Über das Territorium der Comunità
Das Territorium einer Comunità stimmt normalerweise mit einer traditionellen
geographischen Einheit überein, die das Umland, die Diözese, der
Verwaltungsbezirk, der Wahlkreis sein kann. An jenem werden allmählich die
notwendigen Änderungen vorgenommen, um Zusammengehörigkeit zu bilden,
die in der Natur ihre Basis und im Menschen ihre Grenzen hat.
Die italienischen Comunità werden in ihrer definitiven Form durch die günstige
Teilung der jeweiligen Provinzen entstehen.
Die menschliche Dimension einer Comunità
Die „menschliche Dimension“ einer Comunità ist durch die begrenzte
Möglichkeit definiert, die jede Person hat, um Sozialkontakte auszuüben.
Ein Organismus ist nur dann harmonisch und effektiv, wenn die Menschen, die
bestimmten Aufgaben vorstehen, diese durch direkten Kontakt herausfinden
können.
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Die Gewählten einer Comunità können die hunderttausend
Gemeinschaftsmitglieder natürlich nicht alle persönlich kennen. Letztere
hingegen kennen die privaten Ereignisse jener, ihre Charakterzüge, ihre
allgemeine oder spezifische Kompetenz ausgesprochen gut. Im Schoß der
Gemeinschaft wiederum, kann der Gewählte analytisch und mittels direkter
Kontakter und Inaugenscheinnahmen, alle wichtigen Fälle oder jene, die über
die gewöhnliche Verwaltung hinausgehen und dessen Zuständigkeit und
Verantwortung betreffen, behandeln.
Innerhalb einer Comunità treten alle Probleme in einfachen und leicht
kontrollierbaren Grenzen auf: das Erreichen eines Versuchsfeldes, einer
eigenständige Abteilung einer Werkstatt, einer Kinderklinik, einer Baustelle,
eines Architekturstudios oder eines Malers ist möglich, indem man menschliche
und natürliche Mittel anwendet.
Die Comunità wird das Reich des Menschen sein; die Region wird nur mittels
eines Fahrzeuges, der Staat nur durch ein Flugzeug oder mit Hilfe einer
Eisenbahn zu kontrollieren sein.
Vollständig menschlich ist allein die Comunità.
Die technischen Mittel können bei den Verwaltern das Verständnis
der menschlichen Faktoren nicht steigern
Die modernen Verkehrsmittel und die Telekommunikation steigern nur
scheinbar die zwischenmenschlichen Kontakte. Sie verschieben sie nur an einen
anderen Ort, die Menge der Personen aber, mit denen die Inhaber der Macht
Ideen und Serviceleistungen austauschen können, hängt von der Energie der
Menschen und deren täglicher Arbeitszeitdauer ab, Zustände, die nicht durch
technische Mittel verändert werden können. Die Lösung der Lebensprobleme
des Menschen impliziert von Seiten der Obrigkeit Kenntnisse der
Sozialkontakte, der ökonomischen Faktoren, vom Stand der Technik, über
geographische Aspekte, kulturelle Bedürfnisse, künstlerische Werte und nicht
zuletzt über unverzichtbare traditionelle und historische Werte.
Jene sind nur in einer guten Synthese lösbar, wenn sie in ihrem gesamten
Ausmaß der Obrigkeit bekannt sind und von jener zu eigen gemacht wurden.
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Eine solche Synthese ist für die Entstehung einer neuen Gesellschaft
grundlegend, und ist lediglich in kleinen räumlichen Einheiten möglich, deren
Ausdehnung nicht bzw. nur in geringem Ausmaß durch die Nutzung von Autos
und Telefonen verändert wird.
Die Verwendung von schnellen und sehr schnellen Verkehrsmitteln führt
vielmehr zur Minderung der genauen Kenntnis des täglichen Lebens, das sich in
tausend erfreulichen Details nur demjenigen abzeichnet, der Schritt für Schritt
dem Verlauf des Lebens beiwohnt, den Männer, Frauen und Kinder in ihrem
Gesicht widerspiegeln.
Der Leiter eines großen Organismus verliert den Überblick über alle diese
Details und es gibt keinen objektiven Bericht eines Untergebenen, der dessen
Sensibilität und Menschlichkeit ersetzen könnte.
Daher wird, bis die Verwaltung der öffentlichen Angelegenheiten nicht auf eine
menschliche Dimension zurückgeführt ist, jegliche Art von Fehlern und
Privilegien fortdauern.
Die Comunità als natürlicher Raum des Menschen
Wenn die Comunità entstehen, werden die Menschenkinder darin den Keim
der Liebe zu deren Geburtsort finden, den sie in ihrer Kindheit erlebt haben
und die konkrete Basis einer menschlichen Brüderlichkeit aus Solidarität in der
Gemeinsamkeit und den Geschehnissen.
Die aktuellen Basisstrukturen unserer Gesellschaft lassen keine
Gefühlszugehörigkeit entstehen und machen es dadurch schwierig, dass sich
eine greifbare Solidarität etabliert.
Eine Gemeinde, welche zu klein oder zu groß ist, schließt beinahe immer die
Natur und die Landschaft aus.
Die Provinz entspricht weder geographischen Kriterien noch menschlichen
Bedürfnissen, sie bleibt ein künstliches Gebilde dort, wo sie es nicht geschafft
hat, menschliche Zuneigung und Mitgefühl in ihren Bewohnern zu wecken.
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Die großen modernen Städte sind unfähig, Lebensharmonie zu
schaffen
Die großen modernen Städte, die ihr Wachstum hauptsächlich der Entwicklung
der Industrie zu verdanken haben, sind mittlerweile unfähig, Lebensharmonie
zu schaffen, die zuvor selbstverständlich war.
Die unterschiedlichsten Interessen sind nicht mehr in einer Synthese zu lösen.
In der, durch unentwirrbare Verstrickungen hervorgerufenen, chaotischen
Situation, überwiegen mit immenser Leichtigkeit Privilegien.
Ordnung der Durchschnittsgröße der Comunità
Die Comunità werden unterschiedlich viele Einwohner aufweisen, die von
geographischen und ökonomischen Bedingungen, sowie dem Potenzial von
bestimmten Gebieten abhängen sein werden. Deren Einwohnerzahl wird
zwischen fünfundsiebzig- und hundertfünfzigtausend schwanken. Die großen
Gemeinden werden so vielen Comunità Platz bieten, wie man deren
Gesamteinwohnerzahl durch 100.000 teilen kann; dies jeglich als
Näherungswert.
Über die Namen der Comunità
Die Namen der Comunità werden im Allgemeinen von der in ihnen enthaltenen
Ortschaft übernommen, welche die wichtigste geschichtliche Bedeutung hat.
Die Comunità, die durch die Trasformation der großen urbanen Zentren
entstehen, können unter anderem durch die darin enthaltenen wichtigsten
Betriebe identifiziert werden, dabei wird auf keinen Namen von lebenden
Personen Bezug genommen.
Auf diese Weise lassen sich, mit vielfältigen politischen und
verwaltungstechnischen Vorteilen, die Comunità Fiat in Mirafiori, die Comunità
Ansaldo in Cornigliano, die Comunità Galileo in Rifredi erkennen. Es handelt
sich hierbei um rein indikative Beispiele, welche der Erklärung dienen sollen;
derartige Fälle der Individualisierung werden sehr selten vorkommen.
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Damit eine Industrie eine Comunità hervorbringt, ist es notwendig und zugleich
ausreichend, dass jene einen Betrieb mit großer wirtschaftlicher Bedeutung
darstellt, eine große Anzahl an Arbeitnehmern beschäftigt und ihr ein
bedeutendes geographisches Gebiet zur Verfügung steht, (ohne kleinere
wirtschaftliche Betriebe dabei auszuschließen).
Die Dezentralisierung der Industrie, die unerlässliche Neuordnung der Industrie
als Folge des Überganges von einem Kriegszustandes in einen Zustand des
Friedens, und die antiautarke Ausrichtung der neuen Wirtschaftspolitik werden
denjenigen, die den notwendigen Regional-Plan erstellen, die endgültigen
Lösungen empfehlen.
Die kleinen und mittleren Gemeinden werden die traditionellen
Verwaltungen beibehalten
Die kleinen und mittleren Gemeinden, die sich im Gebiet einer Comunità
befinden, werden ihre eigenen autonomen Verwaltungen beibehalten. Da im
neuen Staat aber die Comunità und nicht die Gemeinde die höchste
Ausdrucksform der autonomen lokalen Politik ist, wird letztere den Aufbau
eines administrativen Dezentralisierungsorganes der Comunità teilweise
übernehmen, wie es laut der Gemeinde- und Provinzgesetze bezüglich der
Provinz und dem Staat war.
Die Comunità, die die Regierung der Präfekten ablösen wird, wird daher die
Kontrollfunktion über die Gesetz- und Rechtmäßigkeit der kommunalen
Entschlüsse übernehmen.
Die großen Gemeinden als Gruppen von Comunità
Die großen Gemeinden, die aus mehr als einer Comunità bestehen, werden
eine urbane Verwaltung beibehalten, die jedoch die Form einer
Genossenschaft oder Gruppe von Comunità annehmen wird, und deren
Aufgabe es sein wird, sich um Koordinationsproblematiken, um die rationale
Aufteilung der Aufgaben, um die vereinten öffentlichen Dienste zu kümmern.
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Das Gesetz wird Kontroll- und Koordinierungseinrichtungen zwischen
Regionalorgan und jenen, die zu einer Gruppe von Comunità zählen, vorsehen.
Nur große Städte, Einkaufszentren weitläufiger Regionen, verdanken ihr Dasein
dem andauernden Austausch und Kontakt mit einem geographischen Gebiet,
welches ihr Verwaltungsgebiet weit überschreitet.
Das Eingreifen der Regionen in die Verwaltung der großen Gemeinden hat ihre
Berechtigung durch die großen Dezentralisierungsaufgaben und generell durch
die Urbanistik, die in einer Vielzahl an Notwendigkeiten und Absichten
aufscheinen. Jene kümmert sich auch um Angelegenheiten der politischen
Fairness.
Die Comunità vereinfacht die Aufgaben der modernen Urbanistik
Die Comunità tendieren dazu, die Unterscheidung zwischen Stadt und Land
aufzuheben, indem einer einzigen Verwaltung urbane Zentren und weite
landwirtschaftliche Gebiete zugewiesen werden, sodass dadurch möglich wird:
a) eine Symbiose zwischen landwirtschaftlicher und industrieller Ökonomie
b) ein schrittweiser Prozess der Organisation modernen Lebens in Kontakt mit
der Natur in den landwirtschaftlichen Gebieten
c) die Umwandlung der großen Zellen-Städte in urbane Organismen, in der die
Natur ihren großen Stellenwert wieder einnimmt, und der Mensch außerhalb
und in seiner Arbeit das Gefühl eines harmonischen und erfüllten Lebens hat
(die Schaffung von großen Bildungs-, Erholungs- und Kulturoasen in allen
Vierteln der Großstädte)
d) die Ausdehnung der hygienischen, kulturellen und der Erholung dienenden
Vorsorge, Privilegien der bedeutenderen Zentren, auf davon ausgeschlossene
Dörfer und deren generelle Verbesserung.
Das ist die große Aufgabe der modernen Urbanistik. Ohne eine geeignete
politische und administrative Transformation scheint eine derartige
Realisierung unmöglich.
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Die großen Städte werden transformiert und nicht zerstört
Die neue Lage, in der sich die große Gemeinde befinden wird, wo die
wichtigsten Probleme des Lebens (Bildung, Betreuung, Teilnahme am
öffentlichen Leben, Zusammenarbeit bei den wirtschaftlichen Tätigkeiten) ganz
von den Comunità in Angriff genommen werden, aus denen sie
zusammengesetzt ist, und wo die Pläne für die Entwicklung vom Regionalstaat
reguliert sind, zielt nicht darauf ab, die Stadt abzuschaffen, sondern sie zu
verbessern.
Diese wird quasi durch einen osmotischen Prozess ihre eigenen Elemente in die
sie umgebenden Natur ausdehnen, und die Natur wird in ihre Mauern
eindringen.
Einige großartige urbanistische Errungenschaften wie etwa von Gärten
gesäumte Hauptstraßen, werden nicht mehr sporadische Beispiele sein,
sondern das gesammte Stadtbild prägen.
Die Lösung ist die Antwort auf eine richtige geistige Orientierung. Diese besteht
nicht darin, den Beitrags der Metropolen an der Bildung der modernen
Zivilisation zu leugnen, sondern darin, die Probleme des Lebens von hunderten
und tausenden Personen auf harmonische, natürliche, grundlegend
menschliche Weise zu lösen, indem einige unnütze Hypertrohien unterdrückt
werden, und sie ein neues Sozialleben ermöglicht.
Über die ökonomischen Funktionen der Comunità
Die Comunità wird direkte und indirekte ökonomische Funktionen haben. Ihr
Einfluss auf die Industrie und die Landwirtschaft ist sowohl von sozialer als auch
von ökonomischer Natur.
Die Comunità besitzt einen Teil des Aktienkapitals der großen und mittleren
Fabriken, sie ernennt einige der leitenden Führungskräfte, sie sorgt für den
Transfer von Industrieaktien, sie kauft und verkauft Gründe und Eigentum, je
nachdem, wie es die Erfordernisse zur technischen Entwicklung oder der
sozialen Verbesserung der Comunità verlangen, sie sorgt für Grundausbildung
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und berufliche Weiterbildung, sie unterstützt die Entwicklung des Handwerks
und des Tourismus.
Sobald die bedeutenden sozialen und ökonomischen Veränderungen Fuß
gefasst haben, und eine flexible Anwendung möglich ist, ist es an der Zeit, das
Konzept der konkreten Comunità auch auf den Sektor der Landwirtschaft
anzuwenden. Darin wird die Comunità tatsächlich einen direkten Einfluss auf
die Schaffung einer vielgestaltigen Kooperationsstruktur der
Landwirtschaftsökonomie ausüben, wo jedes Element in autonomen
regionalen und überregionalen Organisationen föderiert sein wird.
Durch ihren eigenen industriellen Dienst kümmert sich die Comunità direkt um
die Führung des normalen Betriebs von öffentlichem Interesse (Gas, Strom,
Bäckereien, Verkehrsbetriebe etc.) und um die Ausdehnung der Anlagen auf
perifere Gemeinden, falls diese nicht oder nur unzulänglichen versorgt sind.
Ein humanes Diaphragma zwischen Individuum und Staat
In Bezug auf die durch den neuen Staat durchgeführte soziale Reform werden
bestimmte private Unternehmen schrittweise in öffentliche Körperschaften
übergeführt und Soziale Autonome Industrie (Industrie Sociali Autonome) und
Landwirtschaftlicher Autonomer Verband (Aassociazione Agricole Autonome)
genannt.
Die Comunità wird immer einen bedeutenden Teil des Kapitals der autonomen
Industriegesellschaften besitzen, der verbleibende Teil den Arbeitnehmern
oder dem Regional-Status oder anderen Comunità gehören.
Die Comunità wird daher als Drehpunkt der wirtschaftlichen Institutionen mit
größerer kollektiven Wichtigkeit fungieren und ein unverzichtbares
Diaphragma zwischen dem Individuum und dem Staat bilden.
Die Überlegenheit einer solchen föderalistischen Lösung gegenüber anderen
Gemeinschaftssystemen besteht in einer höheren Effizienz, die von der
Spezialisierung kommt, ermöglicht durch die verringerte territoriale
Zuständigkeit einer jeden Comunità, und von der Mühelosigkeit, mit der die
Bürger mit ihren Behördenorganen in Kontakt treten und sie kontrollieren
können.
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Person und Comunità
Der gegenwärtige politische Zeitgeist ist großteils auf einen Gelehrten wie
Jacques Maritain zurückzuführen, auf Grund seiner Bemühung, die
Beziehungen zwischen der Person und den differenzierten Gemeinschaften, in
denen sich die menschliche Gesellschaft ausdrückt, in das Zentrum der
Aufmerksamkeit zu rücken.
In dieser Manifestation des modernen Bewusstseins ist die Ausarbeitung des
Konzepts der Person grundlegend, unterschieden von und entgegengestzt dem
Konzept des Individuums. An dieser Stelle möchte man weder den komplexen
Gehalt, den diese Unterscheidung in der modernen Psychologie hat,
untersuchen, noch die vielfältigen und tiefgründigen Wurzeln,die dieser innere
Dualismus in der antiken und modernen Philosophie und im Besonderen im
Geist der Kirchenväter und in dem vom Heiligen Thomas hat.
Es ist aber angebracht, daran zu erinnern, dass die Person aus der Berufung
entsteht, aus dem Bewusstsein um die Aufgabe, die jeder Mensch in der
Gesellschaft der Erde hat, und die sich als solche in einer Anreicherung der
moralischen Werte des Individuums umsetzt. Die Person hat auf Grund dessen
das tiefgründige Gespür für die Würde des anderen und daher, den christlichen
Respekt dafür. Sie spürt tief im Inneren die Verbindung, die sie mit der
Comunità hat, der sie angehört, und das Bewusstsein um soziale Aufgaben ist
in ihr lebendig; im Grunde besitzt die Person ein inneres spirituelles Konzept,
das Berufung hervorbringt und zu höheren Zielen leitet.
Das Individuum ruht auf den materiellen Elementen und ist von der Materie
individualisiert und limitiert. Folglich bewegt es sich, gemäß der
Resultierenden aus einem reinen Zusammenstoß der Kräfte, auf einer Ebene,
auf der die spirituellen Gesetze ihre unsichtbare Kraft nicht erklären.
Wenn die neu entstehende Welt neue Katastrophen vermeiden und sich
höheren Zielen zuwenden will, ist es notwendig, eine Gesellschaft zu schaffen,
in der die Person die unmittelbare Möglichkeit hat, ihre eigene Menschlichkeit
und Spiritualität zu entfalten. Nur in einer Comunità, die weder zu groß noch zu
klein ist, kann sich eine konkrete Solidarität entwickeln.
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Die individualistische und egoistische Gesellschaft, die glaubte, der
wirtschaftliche und soziale Fortschritt sei ausschließlich eine Folge von
Interessenskonflikten und andauernden Unterdrückungen der Schwachen
durch die Starken, die in Elementarteilchen zerbröselte Gesellschaft, sowie die
skrupelos in einem totalitären Staat zentralisierte, ist zerstört. Aus ihren Ruinen
erwächst eine menschliche, solidarische, personalistische Gesellschaft: jene der
konkreten Comunità.
Die Comunità ist die Basiszelle des Föderalstaates
Der Staat wird sich Föderalstaat der Comunità Italiens (Stato Federale delle
Comunità d’Italia) nennen.
Der Name „Föderal“ ist gewählt worden, da ihm ein dezentralisiertes und
autonomes System entspricht, das auf den Regionen und den Comunità
gründet. Das Herzstück des Staates, die Comunità, klärt das gesamte neue
politische Leben über deren Charakteristen auf. Daher spricht man von
Föderalstaat der Comunità und nicht von Föderation von Regionalstaaten, so
wie es scheinbar der legislative Stellenwert empfehlen würde, die, wie wir
sehen werden, den letzteren übergeben werden wird.
Der Föderalstaat der Comunità wird mit uneingeschränkter und absoluter
Ebenbürtigkeit der sozialen und politischen Rechte, jene Personen aufnehmen,
deren Geburtsländer ein ähnliches sozialpolitisches System akzeptieren und
vollständig anwenden. Dies geschieht unabhängig von Rasse und Religion,
denen die Völker besagter Staaten angehören, vorausgesetzt, die
Rechtsordnung der Herkunftsstaaten hat die Rechte und Würde des Menschen
zur Grundlage.
Ohne zu unterscheiden, aus welchem Land sie kommen, wird die
Staatsbürgerschaft allen Ausländern verliehen werden können, kraft einer
Entscheidung der Comunità, in der der Ausländer für eine gewisse Zeit ansässig
ist. Es wird ausschließlich nach moralischen Kriterien entschieden werden.
Der Regionalstaat wird eine Kontrolle über diese Entscheidungen ausüben.
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Auf diesem Gebiet können sich der Interessierte oder die regionale Autorität an
die zuständige föderale Obrigkeit wenden, wie etwa die regionale, um die
Staatsbürgerschaft per Motu Proprio zu verleihen.
Wird ein Ausländer von Seiten eines qualifizierten universitären Institutes für
einen Lehrstuhl nominiert, führt dies automatisch zur Verleihung der
Staatsbürgerschaft.
Die Familie, Modell der Comunità
Die Familie, unzerstörbare Basiszelle des sozialen Organismus, ist im objektiven
Rahmen einer nicht perfekten Menschheit, das eminenteste Beispiel für die
Existenz und Möglichkeit einer sozialistisch-kommunistischen und christlichen
Gesellschaft.
Auch dort, wo die größte Sorge das Familienbudget ist, kommt dem
behinderten Sohn die gleiche Pflege und die gleiche Behandlung zu Gute wie
dem gesunden, und alle arbeiten im Maße ihrer Möglichkeiten und ihrer Moral
zum Wohle aller zusammen. Und der Vater liebt den verlorenen Sohn gleich
wie den anderen.
Die Comunità bietet sich an, insgesamt und im Einklang mit einer modernen
und freien Gesellschaft, die Prinzipien zu verteilen, die das Familienleben
tragen, dort wo das Geschenk an die Kinder nicht Barmherzigkeit sondern
Wohlwollen und Pflicht ist.
In einer Comunità also, sind die dem Staat und der Region geläufigen
Sozialgesetze mit Gerechtigkeitssinn und Sinn zur Liebe verfasst und
verstanden, und mit Versöhnungsgeist und Toleranz angewandt. Der
Barmherzigkeitssinn wird die soziale Gerechtigkeit vervollständigen.
Ohne einen solchen moralischen Umbruch, einen derartigen Geist, wird die
Comunità weiterhin als eine effiziente Verwaltungsorganisation existieren, ist
sie doch als solche konzipiert, aber sie wird ohne Seele sein.
Das Volk wird in freien Wahlen Menschen mit Herz und Verstand wählen, die
die Comunità mit einem unverkennbar menschlichen Muster prägen werden.
Das oberste Gesetz der Comunità ist vom Evangelium erleuchtet
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Das oberste Gesetz der Comunità ist vom Evangelium erleuchtet.
Daher wird es keine Diskriminierungen der Rasse oder Nationalität wegen
geben, und sollten Zweifel aufkommen, wird sich jede Handlung der Comunità
an diese hohen moralischen Gesetze halten. Da diese, sei es von Katholiken als
auch von Nicht-Katholiken, sei es von Gläubigen als auch von Nichtgläubigen
akzeptiert werden können, werden die Kinder der Comunità im Wissen
aufwachsen, dass das höchste Gut der Menschheit die Wahrheit und die Liebe
ist. Die Idee der Freiheit des Menschen wird eine direkte Folge daraus sein.
Ohne eine erneuerte moralische Erziehung, die auf dem Evangelium beruht,
wird jede politische Veränderung ungenügend sein, und der Grund für
menschliche Katastrophen, für die Propaganda des Hasses, für Differenzen wird
nicht ausgeschaltet werden.
Vom neuen Geist der Comunità befürchtet man weder einen inkonsistenten
Humanitarismus oder einen mit Schwächen, noch, dass unter den Gerechten
nichts stärker und gewaltiger ist, als das Ressentiment gegen die
Ungerechtigkeit.
Nichts wird einfacher sein, als im Leben der Comunità, das so menschlich ist,
dass alles sichtbar und individualisierbar ist, ein falsches Christentum zu
erkennen und zu verurteilen, das sich in einer formalen und heuchlerischen
Huldigung ausrottet: Das Werk und der Charakter der Menschen werden
konkret beurteilt werden.
Die Freiheit lebt ausschließlich in einer christlich-erfüllten Gesellschaft
Bevor die Völker die Verbrechen, die Massaker, die Aufstände, die
Trostlosigkeit vergessen, soll sich derjenige, der berufen wurde, die neuen
Sozialstrukturen festzulegen, versichern, dass die rassistische Metaphysik
nichts anderes war, als Hass, Lüge, Habgier. Darin verweilend sind ganze
Gemeinschaften dem Fehler und der Sünde verfallen und haben das Herz
ausgelaugt.
Es muss nun klar sein, dass einzig der christliche Geist der Besiegten und der
Sieger, der Geist der Liebe, Wahrheit und Barmherzigkeit, jene Völker erlösen
kann, und nur er die Antriebskraft für eine humanere Gesellschaft sein kann.
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Um sich vollständig behaupten zu können, muss die im Wesentlichen
christliche Gesellschaft der Comunità eine endgültige Spaltung des Systems,
das auf einem absurden ökonomischem und moralischem Doppel basiert,
vornehmen: die Ökonomie der Profite und das feudale Regime in Industrie und
Landwirtschaft.
(Die französische Revolution rief Gleichheit, Brüderlichkeit, Freiheit aus. Da sie
aber die soziale Transformation übersehen hat, die ihr durch die ausgerufene
Brüderlichkeit aufgezwungen wurde, hat sie weder zu wirklicher Freiheit noch
zu wirklicher Gleichheit führen können).
Nicht einmal die soziale Transformation alleine könnte Freiheit hervorbringen,
wenn der Egoismus der Wenigen durch den Egoismus der Vielen ersetzt würde,
und falls die Struktur, die dazu erschaffen wurde, um die Herrschaft des
Menschen über den Menschen zu eliminieren, zu einer Herrschaft des Staates
über die Person führen würde.
Die Völker warten auf eine moralische Veränderung in der Politik
Kein neuer Wirtschaftsplan, keine neue soziale Struktur, keine politische
Philosophie wird die Wünsche der Individuen und der auf tragische Weise
betroffenen Völker erfüllen, wenn sie sich nicht durch eine moralische
Veränderung auszeichnen. Eine Bewegung oder ein politisches System, das
keine bestimmte ethische Grundlage hat, trägt die Schwäche des Empirismus in
sich und tendiert zur Irreführung.
Europa kann als gemeinsame oberste moralische Gesetzgebung nur jene des
Christentums akzeptieren. Deswegen sind die Politiker, die in ihrem Inneren
das Licht die Gnade und die christliche Offenbarung spüren und nach deren
Impuls handeln oder sie akzeptieren, obwohl sie die Transzendenz des
Evangeliums nicht anerkennen, den menschlichen und sozialen Gehalt des
Evangeliums, dazu bestimmt, in sich unerschöpfliche und unersetzbare Werte
zu haben.
Die neue Gesellschaft wird die Trennung zwischen öffentlicher und privater
Moral nicht länger tolerieren: Die ethischen Gesetze, die im Umgang zwischen
Einzelpersonen akzeptiert werden, müssen auch im Zusammenleben von
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Völkern und im Umgang zwischen politischen und sozialen Gemeinschaften
angewandt werden.
Die spirituelle Vervollkommnung der Person erfordert angemessene
materielle Voraussetzungen
Die Comunità, ihr politisches pluralistisches Regime, die föderalistische
Organisation der Wirtschaft, werden dem Bürger eine wahrhaftigere und
höhere Freiheit wiedergeben als jene, die das Regime der ökonomischen
Privilegien und der nominalen Freiheit, versichert.
Schlussendlich ist die Comunità konzipiert worden, damit sich solidarische
Gefühle und Instinkte leichter behaupten und vorherrschen können, während
die aktuelle Gesellschaft eher dazu tendiert, diese zu bremsen, sowie den
unterdrückerischen und egoistischen Instinkt zu nähren.
Wenn der Sinn des gemeinsamen und individuellen Lebens hauptsächlich die
spirituelle Vervollkommnung der Persönlichkeit ist, ist der Zusammenhang
zwischen Geist und Materie so, dass harmonische Mittel zur körperlichen
Perfektionierung dennoch unerlässlich sind.
Die Comunità wird unermüdlich den Anstieg an Lebensniveaus aller sozialer
Schichten anstreben.
Zivilisation und spirituelle Synthese
Wenn man alle Zivilisationen, alle Dinge, die sich in dieser Welt am meisten der
Idee der Perfektion nähern, betrachtet, erkennt man, dass in ihnen Synthese
steckt.
Ein menschliches Werk nähert sich umso mehr dieser Perfektion, umso
harmonischer es ist. Und es gibt keine Harmonie ohne Synthese. So, dass jede
Aktivität des Geistes, in den Werken des Menschen vorhanden sein muss.
Damit sich eine solcher Zustand in einer modernen Gesellschaft praktisch
verwirklichen lässt, muss eine Synthese gefunden werden, in der Humanität,
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Wissenschaft, Technik, Kunst und schlussendlich die grundlegenden
Konstruktionselemente der Gesellschaft, koordiniert zusammenarbeiten.
Diesen Zustand herzustellen, ist nur möglich durch die Realisierung der
„konkreten Comunità“, deren komplexe Organisation darauf abzielt, den
Werken der Menschen die verloren gegangene Harmonie wieder
zurückzugeben.
Anmerkungen – Erläuterungen – Beispiele
1. Ein Unternehmen kann vom Verwaltungsrat als Mittel konzipiert sein, um
damit Gewinne zu erzielen, aber den Soziologen und
Wirtschaftswissenschaftlern ist bekannt, dass die besten betrieblichen
Organisationen eine humanere und vollständigere Erscheinung und
Beschaffenheit erzielen, wenn der Chef nicht durch solche ökonomischen
Motive bewegt wurde, sondern vom Bestreben, ein Werk von hohem sozialen
oder technischen Wert zu realisieren oder beiden Anliegen nachzukommen.
Herausragendes Beispiel ist die Zeiss-Stiftung.
Das Haus Zeiss in Jena, das vor diesem Krieg Mikroskope, Instrumente für
sichtbares und ultraviolettes Licht, Projektionsapparate, Linsen für
Fotoapparate, Feldstecher und Teleskope, optische Instrumente für die
Vermessung, Geräte für die physikalische und chemische Forschung und für
astronomische Beobachtungen für den Weltmarkt produzierte, entstand aus
der sehr bescheidenen Werkstatt des Carl Zeiss, Mechaniker an der Universität
Jena. Diese Werkstatt stammt aus dem Jahr 1846, aber die aktuelle
Organisationsform ist mit 1891 datiert, als Ernst Abbe, der Hauptmitarbeiter
und Gesellschafter des Gründers war, nach dessen Tod weiterhin Leiter des
Betriebes blieb und die C.Z.-Stiftung gründete und alle seine Eigentumsrechte
an den Zeiss Anlagen und anderen optischen Betrieben da investierte.
Die von Abbe ausgearbeiteten Statuten traten 1896 in Kraft und legten in 122
Artikeln fest, welche Richtlinien der Verwaltungsrat der Stiftung bei der
Führung seiner Industriebetriebe vorschreibt und welchen Gebrauch er von
den erzielten Gewinnen machen muss. Die allgemeinen Kriterien für die
Führung der Industriebetriebe sind:
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a) den Aufschwung und die Expansion der Anlagen zu pflegen, die angesehen
werden als „die Quellen der Existenzsicherung für zahlreiche Mitarbeiter und
als Faktoren im Dienste der wissenschaftlichen und praktischen Interessen“ der
Gemeinschaft;
b) im Hinblick auf die in den Betrieben beschäftigten Arbeitnehmer größere
soziale Verpflichtungen zu übernehmen, als jene, die von jedem beliebigen
privaten Eigentümer erfüllt würden.
Im Besonderen hat die Zeiss-Stiftung mit enormem Vorsprung auf die soziale
Gesetzgebung verwirklicht:
a) Systeme der industriellen Demokratie, basierend auf Arbeiter-Komiteés
b) absolute Garantie eines wöchentlichen Mindesteinkommens und äußerst
günstige Bedingungen für Vergütungen allgemein;
c) Krankenversicherung, großzügige Pensionen, sehr hohe Entschädigungen bei
Entlassung;
d) 48-Stunden-Woche, eingeführt ab 1901;
e) Gesundheits-, Sicherheits- und Hygiene-Dienste.
Neben verschiedenen Fortbildungskursen stellt die Stiftung den Arbeitnehmern
auch ein Gebäude für Versammlungen mit einer Bibliothek von 150.000
Bänden zur Verfügung.
Der charakteristischeste Aspekt der Stiftung besteht jedoch darin, dass die
erreichten Gewinne für die Arbeitnehmer selber bestimmt sind (mit Ausnahme
der Führungskräfte). Zwischen 1904 und 1929 haben die Arbeiter im
Durchschnitt eine Erhöhung ihres Gehaltes von 6% erhalten, als Beteiligungs-
Quote an den Gewinnen. Alle diese bis hier beschriebenen Praktiken haben
nicht daran gehindert, dass eine weitere Gewinnspanne der Stiftung auch dazu
bestimmt wurde, die Universität Jena zu unterstützen. Die Anzahl der
Mitarbeiter des Hauses Zeiss, im Jahr 1877 noch 36 Personen, stieg auf 1000 im
Jahr 1900 und auf ca. 6.000 1929 (ausgenommen die Mitarbeiter der
angeschlossenen Betriebe und der ausländischen Zweigstellen).
Derartige einzigartige betriebliche Organisationen erzielen ihre Bedeutung aus
einer Harmonie heraus, und sind ein Versuch, eine Einheit aus dem sozialen
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Leben der Arbeiter und ihrem ökonomischen zu bilden. Um derartige
menschliche Vorteile zu erreichen, haben ihre Leiter ihre finanzielle Kraft
verwendet, um solche Probleme zu lösen, deren Natur hauptsächlich politisch
war.
Die Revolution dieser Zeit besteht darin, einen Gesellschafts-Zustand zu orten,
in dem eine derartige Situation auf natürliche Weise entsteht, und nicht das
außerordentliche und unwiederholbare Resultat von außergewöhnlichen
Umständen und Personen ist.
2. Eine gemeinschaftliche Lebensmittelproduktion (die Erzeugung von Brot,
Zwieback, Teigwaren, etc.) ergibt ein Gefühl von Harmonie, wenn:
a) die Anlagen technisch perfekt sind: die Räume der Anlagen zur Gärung und
zum Backen vollständig automatisiert sind, und sie in ihrer Reinheit eine
Ausstellung zu sein scheint und keine staubige und ungesunde Werkstätte.
b) die Gebäude mit Liebe und Sinn zur Kunst konzipiert sind;
c) die Beschäftigten einer hohen Lebensstandard haben, schöne und moderne
Wohnungen, und sie am sozialen und politischen Leben der Comunità
teilnehmen;
d) die Unternehmung im Dienste des Allgemeinwohles steht und nicht im
Dienste eines privaten Interesses.
Ein derartiges Beispiel existiert praktisch realisiert in einer schwedischen
Genossenschaft, angeschlossen an die KOOPERATIVA FÖRBUNDET.
3. Die Konstruktion einer hydroelektrischen Anlage kann einfach als
technisches Problem gesehen werden: die Produktion einer bestimmten
Menge an elektrischer Energie.
Schon vom technischen Standpunkt aus kann die Tatsache, dass die Anlage
einer privaten Firma oder einer öffentlichen Körperschaft gehört, zu
unterschiedlichen Lösungen führen, diktiert von der Kosteneffizienz die die
Anlage selbst aufweist, in Relation zu anderen Energiequellen oder zu anderen
Bestimmungen der Gelder. Aber lassen wir diesen Punkt beiseite, die Nutzung
eines Gebirgsbeckens hat Konsequenzen und Aspekte kollektiven Charakters,
die über die Interessen und Zuständigkeiten einer privaten Firma hinausgehen.
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a) Veränderung der Lebensqualität und der Berglandwirtschaft des
betreffenden Beckens;
b) positiven oder negativen Einfluss auf den Tourismus, die Möglichkeit der
touristischen Nutzung als Begleiterscheinung;
c) Einfluss auf die Landschaft;
d) künstlerisches Niveau der technischen Werke;
e) möglicher Einfluss auf die lokale Industrie durch die Steigerung der
verfügbaren Energie und die Möglichkeit, diese für private Zwecke zu nutzen.
Es ist ganz und gar offensichtlich, dass diesen Faktoren mehr oder weniger
Beachtung und Gewicht zuteil werden kann, je nachdem, welche juristische
Regelung die Körperschaft hat, zu der die Betriebsanlage zählt, und es ist
wichtig, ob diese Körperschaft ein privates Unternehmen oder eine Gemeinde,
oder eine vom Staat, von der Region oder von der Comunità verwaltete
öffentlich-rechtliche Behörde ist, und es ist weiters wichtig, dass alle
Körperschaften, die im Stande sind zusammenzuwirken, um eine harmonische
und vollständige Lösung zu ermitteln, dank ihrer Koordinierung, ihren Beitrag
mühelos und einfach leisten können.
Anders ausgedrückt, kann eine private oder eine öffentlich-rechtliche
Körperschaft, die ein Gebirgsbecken nutzen möchte, abhängen von:
a) einer allgemeinen nationale Genehmigung. In jenem Fall würden in der
Verwirklichung der neuen Werke alle jene zweitrangigen Aspekte, von denen
wir zuvor einige Beispiele angeführt haben, nicht ausreichend berücksichtigt
werden;
b) einer Genehmigung eines nationalen Organs, das die ästhetische Kontrolle
an eine Bezirksdirektion abgibt, die landwirtschaftlichen Angelegenheiten an
eine Genossenschaft von Gemeinden, touristische Aspekte an eine
Provinzbehörde, und so weiter. Die notwendige Koordination, damit das Werk
ein harmonisches Ganzes aus all diesen Elementen wird, ist in diesem Fall
praktisch unmöglich;
c) einer Genehmigung einer Regionalbehörde, welche dezentralisierte und
bestehende Organe vor Ort hat, sodass alle Aspekte, die die Verwirklichung
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eines solchen Werkes aufweist, gleichzeitig überprüft werden können. Lediglich
in diesem Fall, ist die Koordinierung relativ einfach realisierbar.
4. Die Comunità wird eine Fabrik nicht nur als rein wirtschaftlichen Organismus
betrachten, sondern als sozialen Organismus, der das Leben jener beeinflusst,
die zu deren Effizienz und zu deren Entwicklung beitragen.
Die Elemente dieses Lebens sind innerhalb und außerhalb der Fabrik
anzutreffen.
Schöne und hygienische Fabriken verschönern die Arbeit: Die Wohnungen, die
Erleichterungen der Transporte, die Beschäftigung der Behinderten, die
Berufsausbildung, die Beziehungen zur Landwirtschaft bergen eine unendliche
Vielfalt an Problemen, die nur von einer Behörde gelöst werden können, die
innerhalb ihres Zuständigkeitsbereiches diese dominiert und versteht.
Die technische Entwicklung und ein hohes Niveau an Fortschritt werden mit
angemessenen Mitteln gleichermaßen verfolgt werden.
5. Die Aufspaltung der großen Gemeinden in Gruppen von Comunità impliziert
eine umfassende, progressive urbanistische Veränderung. Diese würde sich im
Rahmen der neuen Staatsorganisation abwickeln, nach einem, in Folge
beschriebenen, technisch-administrativen Prozess.
Nachdem die großen und sehr großen Gemeinden derzeit Sitz der Provinzen
sind, die natürlich eine Anzahl an ländlichen Gemeinden beinhalten, wird der
voraussichtliche Regionalplan gemeinsam mit der Bildung und den Festlegung
der Comunità:
a) die Umsiedlung einiger Industrien in andere Provinzen oder in ländliche
Gebiete in der selben Provinz anordnen, um die Verstädterung zu mindern;
b) wird im Zentrum der großen Städte eine oder mehrere Comunità etablieren
(industrielle, kommerzielle, administrative, und kulturelle Zentren);
c) wird eine administrative Einheit zwischen den peripheren Zonen der großen
Städte und den umliegenden landwirtschaftlich geprägten Gemeinden
etabliert, auf eine Weise, die Stadt in das Land ausdehnt und wo möglich,
werden diesen Einheiten (Comunità), eine oder mehrere große, bereits
bestehende industrielle Fertigungshalle beinhalten.
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Falls das in Betracht gezogene Gelände einer Provinz dem Punkt c) nicht
gerecht wird, werden außenstehende landwirtschaftliche Comunità gegründet,
die in der Lage sind, das Verringern der Verstädterung weiter zu begünstigen,
indem sie kleine Industrien und landwirtschaftlich-industrielle „Siedlungen“
aufnehmen.
In Folge der oben genannten Anordnungen, wird die Anzahl der Quadratmeter
pro Einwohner in der Stadt beachtlich ansteigen.
Das bereitgestellte Gelände wird von der Gemeinde – gebildet aus einer Gruppe
von Comunità – für Parks, Gärten und andere Notwendigkeiten des
Gemeinlebens vorgesehen werden, welche in unseren großen Städten absolut
unzureichend sind (Bibliotheken, Turnhallen, Kindergärten, Hygienezentren,
usw.).
Die Rückkehr auf das Land bedarf einer ernsten Agrarreform, die den Ertrag des
Bodens steigert und die Kulturen verändert, um große Gebiete bereitzustellen,
ohne großes Ungleichgewicht im Leben der Landwirte zu verursachen.
6. Es ist einfach, ein Beispiel zu finden, um den menschlichen Wert, der in einer
Comunità tatsächlich vorhanden ist, zu beschreiben: Wir werden uns die
Hauptstadt von Piemont ansehen.
Es gibt eine konkrete, lebendige Einheit in Borgo San Paolo, wo Arbeiter aus
verschiedenen Werkstätten in dieser Peripherie spontan zusammentreffen, in
dem gemeinsamen Bedürfnis, Erfahrungen auszutauschen, und wo das tägliche
Leben sie und ihre Familien in dieselben Geschäfte, in dieselben Schulen, in
dieselben Kneipen, zu denselben Zirkeln führt.
Auf diese Weise begründen die von Lingotto und Mirafiori, verbunden durch
den Stolz einer großen, modernen Industrie anzugehören, eine Comunità, die
logischer und menschlicher ist, als die der Provinz oder der Gemeinde von
Turin.
Turin bleibt eine Einheit, wenn man sie zwischen Piazza Carlo Felice und Piazza
Castello ansiedelt, aber Vanchiglia, Oltre Po, die Straßen von Rivoli sind
eigenständige Einheiten, andere Lebenszentren.
So haben Fossano, Mondovì, Saluzzo und Bra wenig mit Cuneo gemein; Biella
mit Vercelli, Asti mit Acqui; das Aostatal mit dem Canavese; Val Sesia,
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Domodossola, Intra wären sehr viel lebendiger und freier, würden ihre lokalen
Institutionen nicht von Novara abhängig sein.
So ist es im Piemont: Aber ganz Italien lebt in großen Ortschaften, die nichts
mit diesem artifiziellen Konstrukt, das die Provinz ist, zu tun haben.
In der Gesellschaft der Comunità gelten sowohl die individuellen als auch die
gemeinschaftlichen oder Gruppenaktivitäten als autonom und unabhängig:
Deshalb muss die Wissenschaft mittels der Arbeit der freien Universitäten
voranschreiten, die Kunst ist ebenfalls unabhängig, die wirtschaftlichen
Organisationen gründen auf autonomen Komplexen mit differenziertem
rechtlichen Statuten, die Gewerkschaften sind von der Basis her aufgestellt,
außerhalb von jeglichem staatlichen Eingriff oder Einfluss, und so weiter.
Die Manifestationen dieser Aktivitäten tendieren in den Comunità in dem
Maße, in dem sie eine präzise soziale Relevanz erlangen, dazu, sich in eine
Einheit einzugliedern, die harmonisch-rechtlichen Verpflichtungen unterstellt
ist.
Der Komplex der juristischen Auflagen, wie er dem Leben des Menschen
anhaftend ist, erlaubt jeder Comunità die Verwirklichung einer eigenen und
besonderen Harmonie.
Während so der Kanon der Unabhängigkeit und der Uneigennutzigkeit den
Ablauf der wissenschaftlichen Aktivität der Universitäten leiten werden, wird
die letztere zugleich in den Dienst der technischen Notwendigkeit und des
ökonomischen Lebens gestellt. Die von der Comunità ermutigten und
beschützten Künstler, werden freie Ausdrucksmöglichkeiten ihres kreativen
Geistes haben; die Auswahl eines Architekturstils oder eines Freskos für ein
öffentliches Gebäude kann jedoch nicht den Entscheidungen eines
gewöhnlichen politischen Gremiums überlassen werden, das in
Angelegenheiten der Kunst inkompetent ist; sie wird hingegen Personen
anvertraut werden, die lebendige Kräfte der kritisch-wissenschaftlichen
Tradition im Reich der Kunst ausdrücken. Der Besitz eines Privathauses wird
gefördert werden, aber die Erscheinungsform muss mit einer gewissen
künstlerischen Tradition harmonieren, die dynamisch gewachsen, aber
charakteristisch für den Ort ist, und seine Lage wird ebenfalls den Bedürfnissen
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des Gemeinwesens untergeordnet sein. Neue wirtschaftliche Initiativen
werden entstehen mit mehr oder weniger strengen sozialen Auflagen.
So scheint, kurz angedeutet, der zweifache Aspekt jeder menschlichen Aktivität
auf, der durch seine eigene Verdopplung charakterisiert ist: Auf der einen Seite
liegt die Lösung in einer völlig freien Manifestation, auf der anderen Seite in
einer, die im politisch-sozialen Organismus verwurzelt ist.
Nur unter diesen Voraussetzungen ist ein pluralistisch und freie Gesellschaft die
Schöpferin einer authentischen Hochkultur, beseitigt die Unordnung, die
Missverhältnisse, den Bruch zwischen dem Sozialen und dem Ökonomischen,
zwischen dem Schönen und dem Nützlichen, zwischen dem Richtigen und dem
Menschlichen.
(Übersetzung der Originalbroschüre von Adriano Olivetti von Maria Messner,
Perinaldo)