Technik
Von der Mechanik zur Elektronik
Im Jahr 2020 haben wir über die Facebookseiten Grazie „Olivetti“ und olivetti …. io c’ero …. gefragt: Was sind ihrer Meinung nach die 5 wichtigsten Produkte, die Olivetti jemals hergestellt hat? Die gleiche Frage haben wir dann an ehemalige Olivetti Kollegen in Deutschland gestellt.



Alles begann im Jahr 1902 mit der Schreibmaschine M1. Camillo Olivetti hat die Absicht, etwas zu konstruieren und zu bauen, was er in den Vereinigten Staaten gesehen hatte, und dass es in Italien noch nicht gab, eine Schreibmaschine. Es war ein schwieriger Weg.
Das erste Problem bestand darin, dass viele Zahnräder, von denen einige Schlüsselstücke waren, von den US-Firmen Remington und Underwood patentiert waren und nicht replizierbar waren. Camillo musste die Maschine fast von Grund auf neu konstruieren. Es gelang ihm, aber damit sie funktionierte, brauchte man mehr Teile, was die Kosten erhöhte.

Den ersten Prototyp für die Schreibmaschine M1 lieferte er im Februar 1902 an das Patentamt ab. Nach sechs Jahren der Verbesserungen gründete er am 29. Oktober 1908 die Firma Ing. C. Olivetti & C. Er achtet sehr auf das Design der M1. „Sie muss gleichzeitig seriös und elegant aussehen”, sagt Camillo. Das Ergebnis ist eine Maschine von überragender Qualität, von zeitloser Schönheit – und ein handwerkliches Werk, denn jedes Stück, aus dem sie besteht, ist handgefertigt. Die M1 Schreibmaschine kostet 500 Lire, zu einer Zeit, als eine Remington 450 Lire kostete und das Jahresgehalt eines Arbeiters 1000 Lire betrug. Als er die M1 Schreibmaschine 1911 in Turin auf der Weltausstellung zum fünfzigsten Jahrestag der Einheit Italiens präsentierte, verkaufte er die ersten 100 Schreibmaschinen an die Marine und das Postministerium. 1913 produzierte Olivetti 23 Maschinen pro Woche, und die Zahl der Arbeiter stieg auf 20. Von der M1 wurde ca. 6000 Stück verkauft. Von den Nachfolgemodellen M20 und M 40 viele 100.000.

Mit der M-Serie begann die märchenhafte Erfolgsgeschichte der Olivetti Schreibmaschinen. Dabei waren es nie nur die technischen Produkte, das den Erfolg ausmachten. Es war auch immer das Design, die Werbung, also die komplette Präsentation, die den Erfolg ausmachten. derStyle Olivetti entstand.
Vor ein paar Jahren erst hatte Jay Doblin, Direktor des Instituts für Design am Illinois Institute für Technologie die Idee, die hundert Industrieprodukte mit dem besten Design und ihre Designer, Architekten usw. auszuwählen. Sieger sind die Olivetti Reiseschreibmaschine Lettera 22 (Baujahr 1950) und ihr Designer Marcello Nizzoli.

Die Lettera 22 und 32 waren auch die bevorzugten Reisebegleiter für Journalisten und Schriftsteller. So hat der deutsche Nobelpreisträger für Literatur Günter Grass seine Bücher auf der Lettera 22 geschrieben.
Kein Wunder also, dass diese kleine sympathische Schreibmaschine auch in unserer kleinen Befragung auf den italienischen Olivetti Facebookseiten den 1. Platz erhalten hat.
Weitere sehr erfolgreiche Schreibmaschinen von Olivetti waren (Auswahl):

Studio 45, 1960. Design: Ettore Sottsass.
Das war eine sogenannte Halbstandardschreibmaschine. Diese Art der Schreibmaschinen war zwischen den kleinen Reiseschreibmaschinen angesiedelt und den großen Büroschreibmaschinen.

Das war die erste Schreibmaschine, die ich verkauft habe, als ich 1968 in Saarbrücken als Verkäufer für Olivetti begann. Die „Praxis 48“ kostete damals 1090 DM (Deutsche Mark).



Diese Büroschreibmaschinen habe ich damals im Saarland einige 100mal an große, mittlere und kleine Firmen verkauft. Mein wichtigster Kunde war das Unternehmen Villeroy & Boch. Villeroy und Boch setzte auch intensiv die „Editor 5“ ein. Die Maschine hatte Proportionalschrift und Randausgleich. Damit konnte man sehr elegante Briefe schreiben, z.B.: in Vorstandssekretariaten. Und, wegen der Proportionalschrift und dem rechten Randausgleich Druckvorlagen erstellen. Zu der Kategorie der Büroschreibmaschinen gehörten auch noch die etwas kleinere „Editor 3“ und die manuelle Schreibmaschine „Linea 98“. Manuelle Schreibmaschinen werden bis heute noch gerne zum Ausfüllen von Formularen eingesetzt oder auch in Gebieten ohne Stromversorgung. Olivetti produzierte damals die „Linea 98“ auch im brasilianischen Werk in Sao Paulo.
Die Büromaschinen von Olivetti wurden in den USA sehr erfolgreich im Fernsehen durch die „Olivetti Girls“ beworben. Gezeigt wurden Büroszenen von begeisterten Sekretärinnen mit ihren Olivetti Schreibmaschinen . Aussage: „Nie mehr ohne meine Olivetti Schreibmaschine – Ich bin ein Olivetti Girl“.

Neben der „Lettera 22/32“ war die „Valentine“ die wohl erfolgreichste Reiseschreibmaschine. Sie passte in diese „FlowerPower Zeit“ und sollte die weitere Emanzipation der Frauen weiter nach vorne bringen. Ein Motto von Adriano Olivetti und auch schon seinem Vater Camillo Olivetti war ja: Die Technik ist nicht der Feind der Menschen, sondern Verbündete und Freundin. Beides ist eine Einheit. In diesem Fall die Symbiose von Sekretärin und Schreibmaschine. Olivetti kommunizierte diese Symbiose mit allen Werbemaßnahmen. Für die Umsetzung wurden die besten Werbeleute verpflichtet.



Diese Lexikon Serie repräsentierten die letzten elektromechanischen Schreibmaschinen. Sie hatten einen Kugelkopf mit auswechselbaren Schriften und, im Gegensatz zur erfolgreichen IBM Kugelkopfserie, noch einen beweglichen Wagen.
Der Weg zur Electronic



Danach begann die Zeit der Personalcomputer (PC) und die Zeit, von DOS und MSDOS (Microsoft), die Zeit der freien, programmierbaren Betriebssysteme. Die gesamte Welt der Bürosysteme mit eigener, interner, verdrahteter Software war zu Ende.
Doch bevor wir über diese Zeit reden, müssen wir natürlich über einen anderen wichtigen Umsatz- und Gewinnbringer von Olivetti sprechen.
Die mechanischen Rechenmaschinen von Olivetti
Es begann im Jahr 1940 mit der MC 4S Summa und endete 1972 mit der Elettrosumma 20.
In dieser Zeit produzierte und verkaufte Olivetti nicht nur Hunderttausen von Schreibmaschinen sondern auch Hundertausende von Rechenmaschinen in der ganzen Welt.

Carlo de Benedetti, der die Leitung des Unternehmens Olivetti 1978 als erster familienfremder CEO übernahm, schrieb einmal in einem Vorwort.
„ Die herausragende unternehmerische Fähigkeit von Adriano Olivetti bestand darin, dass er diese enormen Gewinne für die globale Expansion seines Unternehmens einsetzte und es zum ersten multinationalen Unternehmen Italiens machte, mit Produktionsstätten in Spanien, Mexiko, Brasilien und Argentinien und mit höchst effizienten Vertriebsstrukturen in praktisch allen Teilregionen der damaligen Wirtschaftswelt, von Japan bis in die Vereinigten Staaten, von Singapur bis Malaysia. Das lag zum großen Teil daran, dass er seine Mitarbeiter selbst und mit großer Sorgfalt auswählte. Auf diese Weise machte er das Unternehmen nicht nur zum ersten echten “Multi” Italiens, sondern verbreitete seine Management-Kultur auch in vielen anderen italienischen Großunternehmen wie Fiat, Ifi und Alitalia.“
Und weiter:
„Zweifellos agierte er in einer glücklichen Epoche, die den Aufschwung der westlichen und der japanischen Wirtschaft in den sechziger Jahren einleitete. Dank der außerordentlichen Fähigkeiten zur Entwicklung und praktischen Umsetzung innovativer Konzepte, die sich damals in Ivrea konzentrierten, waren die Schreibmaschinen und elektromechanischen Rechenmaschinen, die er herstellte und verkaufte, praktisch konkurrenzlos und ermöglichten bis dato unvorstellbare Gewinnmargen: bei der Rechenmaschine “Divisumma 24” betrug die Bruttomarge beispielsweise fast 50%“.
50%? Je nach Model und Ausstattung kostete ein Stück der 24er Serie (Multisumma und Divisumma, mit und ohne Zusatzspeicher) für den Endkunden ca. 2.000 DM (Deutsche Mark). die Hälfte davon , also 1.000 DM erhielt der Hersteller Olivetti. Und von diesem Verdienst floß ein großer Anteil auch wieder in die Sozialleistungen des Unternehmens.
Olivetti hat nicht nur Schreib- und Rechenmaschinen hergestellt. Zu den Produkten, die das Unternehmen weltweit verkaufte, gehört die gesamte Palette der Bürotechnik und auch Büromöbel, Schreibtisch Accessoires usw. Hier einige Bespiele der Bürotechnik:



Der Verkaufshit in Deutschland. Für hunderte von Steuerberatern in Deutschland war die Telebanda, wie sie in Deutschland hieß, der Einstieg in Buchhaltung „außer Haus“. Der Lochstreifen (5 Kanal mit viereckigen Löchern) mit den erfassten Buchungsdaten der Mandanten, wurde an das Rechenzentrum der DATEV (Rechenzentrum der Steuerberater Genossenschaft) in Nürnberg geschickt. Die lieferten dann die komplette Buchhaltung der Mandanten wieder an den Steuerberater zurück. Später schickte man dann Magnetbänder und dann kam der Onlineanschluss.

Der erste programmiere Tischcomputer der Welt. Die selbst erstellten oder gekauften Programme waren auf Magnetkarten gespeichert. Die Programma 100 wurde auch für die Berechnungen zur Mondlandung von der NASA eingesetzt. Neil Alden Armstrong war Kommandant von Apollo 11, die mit Buzz Aldrin und Michael Collins zum Mond flog. Am 21. Juli 1969 betrat er als erster Mensch den Mond. Mit Unterstützung der Programma 101 von Olivetti.

Sie enthielt im Prinzip die Technik der Programm 101. Nur hatte Sie eine Schreibmaschine zusätzlich und wurde so für die Buchhaltung, Rechnungsschreiben usw. eingesetzt.

Die A7 war Olivettis Einstieg in die sogenannte „Mittlere Datentechnik“. Das waren in den 70er und 80er Jahren Bürocomputersysteme für Buchhaltung, Lohnabrechnung, Rechnungswesen usw., die mehr konnten als Buchungsmaschinen, aber keine Großcomputer, wie beispielsweise die IBM 360, waren. Das deutsche Unternehmen Nixdorf aus Paderborn hatte in dieser Zeit den Begriff „Mittlere Datentechnik“ geprägt.



Bereits im Jahre 1959 begannt Olivetti mit der Elea 9003 den ersten Großcomputer, vergleichbar mit der IBM 360 und anderen, zu bauen. Das System, das vollständig aus Transistoren für hohe Leistung besteht, wurde von einer kleinen Gruppe von Forschern unter der Leitung von Mario Tchou konzipiert, entworfen und weiterentwickelt. 40 große kommerzielle 9003 und mehr als 100 kleineren 6001 wissenschaftliche Maschinen wurden bis 1964 fertig gestellt und vermietet. Der Tod von zwei Schlüsselmanagern (wohl durch US – Geheimdienste getötet) und finanzielle Instabilität verursachten dann die Einstellung der Elea Produktlinie.

Dieser Olivetti Laptop wurde auch für den Wettbewerber Triumpf Adler produziert.
Olivetti hatte im Übrigen auch andere Produkte, wie zum Beispiel Reiseschreibmaschinen für den damaligen Versandhändler „Quelle“, produziert. Die Produkte wurden dann unter einem OEM Namen, bei Quelle was es „Privileg“, verkauft.
Style Olivetti
Olivettis Büromaschinen waren nie nur technische Produkte. Aber natürlich auch technische Produkte. Hinzu kamen Design und Werbung, Olivetti arbeitete mit den besten Designern, Architekten, Grafikern und Werbeleuten zusammen. Und meist kam dann noch eine Idee, eine Vision, dazu. Wie beispielsweise bei der Emanzipation der Frauen (Schreibmaschine + Sekretärin = Unabhängigkeit). Das war er dann, der Style Olivetti.